Donnerstag, 10. Juli 2014

DIE NEUE GEFAHR: SMART DRUGS

800 000 Deutsche schlucken Medikamente, 
um schneller, länger und besser zu funktionieren. 

Und es werden immer mehr. 

Report über ein erschütterndes Phänomen

Da ist die Krankenschwester, die sich im OP-Saal keinen Fehler erlauben darf. 
Da ist die Anwältin, die für die nächste harte Verhandlung mehr Aggressivität braucht. 
Oder die Studentin, die abends feiern will, aber noch nicht in der richtigen Stimmung dafür ist. 

In einer Welt, die sich von Tag zu Tag schneller bewegt und in der Schwächen kaum noch geduldet werden, greifen immer mehr Menschen zu sogenannten Smart Drugs. 

"Ritalin", "Fluctin" oder "Aricept" heißen die Medikamente, mit denen Kopf und Körper auf Hochtouren gebracht werden sollen. 

Eine repräsentative Bevölkerungsbefragung im Auftrag der Deutschen Angestellten Krankenkasse (DAK) ergab, dass mehr als ein Viertel der Teilnehmer ein Hirndoping mit Psychopharmaka als vertretbar ansehen, wenn damit im Beruf Aufmerksamkeit sowie Gedächtnis und Konzentrationsleistung gesteigert werden sollen. 
Dass die Wirkung selten bewiesen ist, die unerwünschten Nebenwirkungen dafür umso realer sind, scheint vielen egal zu sein. 

Etwa zwei Millionen Beschäftigte in Deutschland, so besagte DAK-Umfrage, haben schon mal leistungssteigernde und stimmungsaufhellende Medikamente genommen. 
800 000 schlucken sie regelmäßig. 
"Doch diese Aufputschmittel machen uns zu Sklaven der Leistungsgesellschaft", warnt die Psychologin und Sachbuchautorin Dr. Lena Kornyeyeva ("Die sedierte Gesellschaft").


Jede Ära hat ihr Mode-Medikamen

Dennoch scheint es für viele verlockend, ihre Gehirnfunktion mit einer Pille zu steigern. 
Beliebt bei den Nutzern sind dabei Präparate wie "Ritalin" und "Attentin", die normalerweise Kindern und Jugendlichen gegen die Aufmerksamkeitsdefizitstörung (ADHS) verschrieben werden, sowie "Vigil", das gegen die Schlafkrankheit Narkolepsie hilft, aber auch Demenzmittel wie "Aricept" sowie stimmungsaufhellende Antidepressiva wie "Prozac" (in Deutschland als "Fluctin" erhältlich), die das Gehirn anregen sollen. 
"Der genaue Wirkmechanismus dieser Mittel ist hochkomplex und nicht bis ins Detail geklärt", weiß der Psychiater und Soziologe Prof. Andreas Franke. 
"Vereinfacht gesagt, greifen sie in das System bestimmter Neurotransmitter im Gehirn ein und verändern so die Kommunikation zwischen den Zellen", sagt Franke, der führende Autor der größten deutschen Studie zum Thema Hirndoping
Er kennt die Motive der Betroffenen: 
"Sie wollen mehr leisten oder durch leistungssteigernde Substanzen weniger Zeit für Arbeit und Studium aufwenden und so ihre Work-Life-Balance verbessern." 

Dass Smart Drugs gerade jetzt so gefragt sind, hat nicht zuletzt mit der wachsenden wirtschaftlichen Unsicherheit zu tun. 

Laut aktueller Umfrage hat fast jeder zweite Beschäftigte in Deutschland Angst davor, etwas falsch zu machen. 
Gleichzeitig fürchten 36 Prozent den Verlust ihres Arbeitsplatzes. 

Jede Ära hat ihr Mode-Psychopharmakon. 
Während etwa in den 1950ern infolge der Kriegstraumata der Absatz des angstmildernden Lithium-Salzes ungeahnte Höhen erreichte, waren in den 1960ern dann Tranquilizer wie "Valium" en vogue, die Ruhe und besseren Schlaf in den hektischen Wirtschaftswunderjahren versprachen. 

In den 1990ern begann der Siegeszug der Antidepressiva – nicht zuletzt, weil damals "Prozac" in den USA als glücklich und schlank machendes Lifestyle-Medikament beworben wurde. 
Dass die Amerikaner Spitzenreiter beim Konsum der Smart Drugs sind, verwundert daher nicht. 
Allein der Modafinil-Umsatz (der Wirkstoff erhöht die Konzentrationsfähigkeit) stieg innerhalb der letzten zehn Jahre von knapp 200 Millionen auf weit über 1 Milliarde US-Dollar. 

Ursache für den Boom: 
Bis 2008 fiel Modafinil unter das Betäubungsmittelgesetz. 
Heute gilt für den Wirkstoff, dessen Nebenwirkungen von Leberschädigung bis zu Muskelzuckungen reichen, in den USA die normale ärztliche Verschreibungspflicht.

"Ritalin" ist chemisch mit Kokain verwandt

Keine Frage, für psychisch Kranke sind Psychopharmaka wichtig, um den Hirnstoff wechsel wieder zu regulieren, damit sie ihren Alltag bewältigen können. 
Mit der Zahl der Verordnungen wächst allerdings auch die Gefahr von Missbrauch. "Ritalin" etwa, das die Struktur des natürlich gewonnenen Kokains synthetisch nachbildet, wird von Kritikern auch als "Kinder-Koks" bezeichnet. 
Und dennoch: 
Wer an die verschreibungspflichtigen Arzneien kommen möchte, schafft es in der Regel auch, wie man in einschlägigen Online-Foren nachlesen kann. 
Dort werden Tipps ausgetauscht, mit denen man dem Arzt glaubhaft eine Störung vortäuscht, oder Adressen, bei denen man die Pillen im Internet bestellen kann. Nach dem Motto: Was Schulkinder schlauer und Schichtarbeiter munterer macht, kann so verkehrt ja nicht sein.

Manche Pillen machen uns zu Robotern

Dabei sind die Medikamente gar nicht in der Lage, die erhoffte Wirkung zu erzielen: 
"Bis heute gibt es kein Präparat, das das Gedächtnis bei Gesunden verbessert", sagt Prof. Franke. 

Selbst Mittel gegen Demenz wie "Aricept", die bei Alzheimer die Gedächtnisleistung erhöhen, zeigen bei Nichterkrankten laut Frankes Studien keine Wirkung. 
Genauso wenig wie Antidepressiva psychisch stabile Menschen noch glücklicher machen. 

Etwas komplizierter ist die Lage bei Aufputschmitteln wie "Ritalin"
"Sie wirken zwar auch bei Gesunden, aber nur wenn sie an Schlafmangel leiden", so Franke. "Dann machen sie sie wacher und konzentrierter. Und das, obwohl das Medikament eigentlich dazu gedacht ist, zappelige Kinder zu beruhigen." 
Was im ersten Moment paradox klingt, lässt sich medizinisch erklären: 
Die "Ritalin"-Wirkstoffe beeinflussen die Dopamin-Produktion im Gehirn. 
Laut einer Theorie gleichen sie bei ADHS einen für Unruhe sorgenden Dopamin-Mangel aus; bei Gesunden provozieren sie eine Überproduktion, die erregt. 
Ein Gesunder wird mit "Ritalin" zum Roboter, warnt Psychotherapeutin Kornyeyeva: 
"Er kann zwar seine Arbeit fast rund um die Uhr konzentriert erledigen. Gleichzeitig jedoch führt das Mittel aber dazu, dass er dabei weniger kreativ vorgeht und sich schwerer entscheiden kann." 
So ergaben Studien der US-Wissenschaftler Kimberly Urban von der University of Delaware und Wen-Jun Gao vom Drexel College in Philadelphia, dass der ADHS-Wirkstoff Methylphenidat langfristig Lernfähigkeit und Flexibilität des Verhaltens beeinträchtigt. 
Und: 
Um munter zu werden, muss man keine chemischen Aufputschmittel schlucken. 
Sechs Tassen Kaffee hatten in einer Studie den gleichen Effekt auf die Aufmerksamkeit wie 400 Milligramm Modafinil. 
Laut Mediziner Franke entspreche eine Tablette "Vigil" in ihrer Wirkung mehreren Tassen Kaffee – wobei auch die Nebenwirkungen von Letzteren, z. B. Zittern und Unruhe, nicht zu unterschätzen seien. 
Die unerwünschten Begleiterscheinungen der Stimulanzien sind mitunter dramatisch: 
Die Packungsbeilage von "Ritalin" eine Arznei, die vor allem Kinder verordnet bekommen! – ist eine Aufzählung von Scheußlichkeiten: 
Neben negativen Auswirkungen auf sämtliche Organe und Funktionen des Körpers können die Mittel selbst Psychosen auslösen, den Charakter verändern und z. B. aggressiver machen, wie oft berichtet wird.

Der Rat der Ärzte: Therapie statt Tabletten

Nicht zuletzt können Hirndoping-Mittel, vor allem "Ritalin", auch in eine psychische Abhängigkeit führen, weil der Alltag mit ihnen anfangs häufig tatsächlich einfacher erscheint. 
Ein fataler Trugschluss. 
Denn durch den regelmäßigen Konsum der Präparate verschieben sich die physiologischen Leistungsgrenzen des Organismus, sodass dieser innerhalb kürzester Zeit überhaupt nicht mehr in der Lage ist, ohne Drogen Leistung zu bringen. 

Und für Dr. Lena Kornyeyeva ist klar: 
"Wenn man das Abarbeiten der Gefühle unterdrückt, wächst das Leiden im Inneren und bricht irgendwann mit ganzer Macht hervor." 
Statt zu Smart Drugs rät sie zu Psychotherapie, um das Problem an der Wurzel zu packen. 
"Wer das Beste aus sich herausholen will, sollte seine Kreativität fördern, statt sie kaltzustellen."


DANKE! FREUNDIN.de (Original Artikel-Link)
EMPFEHLUNG VON MARIE/BUSINESS DOCTORS, ÖSTERREICH



Stress und Burnout Prävention für Frauen, 

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Graz, Österreich.

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