Sonntag, 11. März 2012

Burn-out-Prävention: Chefsache statt Tabu

von Alexia Weiss (Die Presse)

Nicht nur für den Einzelnen, auch für Unternehmen schlecht: der saloppe Umgang mit Risikofaktoren. Was Führungskräfte und Personaler präventiv tun können.
Burn-out ist längst kein Problem des Einzelnen mehr. Auch Betriebe leiden unter Mitarbeitern, die zunächst nur mehr verlangsamt, dann von einem Tag auf den anderen gar nicht mehr arbeiten können. Laut einer Studie der Gewerkschaft der Privatangestellten (GPA) sind in Österreich eine Million Menschen Burn-out-gefährdet, betont Evelyn Miksch, die als Trainerin und Coach mit dem Schwerpunkt Burn-out sowohl für das Wirtschaftsförderungsinstitut (Wifi) als auch die Akademie für Recht, Steuern und Wirtschaft (ARS) tätig ist. „Arbeitsmediziner schätzen, dass etwa sieben bis neun Prozent der Berufstätigen Burn-out-gefährdet sind. Und die EU schätzt, dass durch Stress am Arbeitsplatz jährlich Kosten in der Höhe von 20 Milliarden Euro entstehen.“

Check für Führungskräfte

Wie aber können Führungskräfte Burn-out vorbeugen? Ist Früherkennung möglich? Gibt es spezielle Schulungen, um Burn-out erst gar nicht entstehen zu lassen? Erich Hotter ist Gründer und Koordinator der Expertenplattform „Arge Burnout“. Sie führt Studien durch, berät Organisationen und Unternehmen und vermittelt ein Präventionsprogramm, das auch in Buchform erschienen ist: „Erich Hotter: „Sieben Schritte gegen Burnout“ (Leykam Verlag). „Burn-out ist nicht als Krankheit definiert“, betont Hotter. Es gebe daher noch keine zuverlässigen Diagnosekriterien.
Der typische Verlauf habe aber drei Stufen: Erstens Erschöpfung und Unfähigkeit zur Entspannung, zweitens innere Leere und das zunehmende Gefühl von Hilflosigkeit, drittens gesundheitliche Probleme, Depressionen, Zusammenbruch.
Die Arge bietet Unternehmen zur Früherkennung ein Paket an, das aus einem Screening und einem Seminar für Führungskräfte und Mitarbeiter besteht. Für dieses Screening wird dann auf www.argeburnout.com ein Test freigeschaltet, der das Risiko einer Burn-out-Erkrankung ermittelt.
Paulino Jimenez ist ebenfalls Mitarbeiter der Arge Burnout, zudem Wissenschaftler an der Uni Graz und Leiter der Sektion Arbeits-, Wirtschafts- und Organisationspsychologie in der Berufsvertretung der Psychologen. „Die Erkennung von Burn-out ist auch für Fachleute sehr schwierig“, betont er. Im Endstadium ähnle das Krankheitsbild stark dem einer Depression. Er nennt aber „sehr vorsichtig anzuwendende Hinweise“: Kann der Mitarbeiter in der Freizeit loslassen, sich erholen? Hat sich der Mitarbeiter merklich zurückgezogen? Das Institut für Psychologie der Universität Graz hat zur besseren Einschätzung der Situation einen Test in Form eines Erholungs-Beanspruchungs-Fragebogens entwickelt. Dieser ist u.a. auf www.arbeitspsychologie.org aufrufbar.
Martin Gleitsmann, Leiter der Abteilung Sozialpolitik und Gesundheit in der Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ), sagt, ja, das Thema Burn-out sei in der letzten Zeit „wieder hochgekocht“. Er will die Materie aber nicht allein auf die Unternehmen abgewälzt wissen. „Burn-out hat sehr unterschiedliche Ursachen.“ Oft kämen die Probleme auch aus dem Privaten.

Gespräch suchen

Doch wie kann man als Vorgesetzter mögliche private Probleme eines Mitarbeiters ansprechen? „Das Gespräch mit Burn-out-Betroffenen ist sehr wichtig, erfordert aber hohe soziale Kompetenz“, so Miksch. Wer hier insgesamt auf eine positive Unternehmenskommunikation achtet und sich entsprechend schulen lässt, hat also einen Vorteil. So argumentiert auch Marie Luise-Thiel, die u.a. für das Wifi das Mentaltraining „Das erschöpfte Ich“ anbietet. „Aus meiner Sicht ist es kein Problem und kein Überschreiten der Intimsphäre, wenn man mit Mitarbeitern auch über sein Privatleben spricht. Es liegt an der Unternehmenskultur.“
Gleitsmann empfiehlt Unternehmern grundsätzlich, auf betriebliche Gesundheitsprogramme zu setzen. „Es gibt hier beispielsweise die Möglichkeit, mit Sozialversicherungsträgern zu kooperieren.“ Das Wichtigste dabei sei Nachhaltigkeit. Mit ein paar grünen Äpfeln in einem Körbchen sei es eben nicht getan.

Tabu brechen

Thomas Nagy begleitet als Coach und Lebens- und Sozialberater Burn-out-Patienten in seiner Praxis sowie im Gesundheitszentrum „The Tree“ in Wien-Hietzing. Neben betrieblichen Gesundheitsmanagement-Programmen rät er Unternehmen, einen Burn-out-Präventionsbeauftragten zu ernennen. Die entsprechende Ausbildung dazu: der Wifi-Lehrgang „Coaching am Rande des Burnout“, der Ende September beginnt.So wird Burn-out auch der Tabustatus genommen, den dieses Thema leider immer noch in vielen Betrieben habe, beklagt Dagmar Deixelberger-Fritz, die in Innsbruck Burn-out-Coaching anbietet. „Früherkennung ist gut, Prävention wäre das Beste. Wenn Burn-out in einem Unternehmen noch immer ein Tabuthema ist und Mitarbeiter darunter leiden, so werden sie aus Angst, den Arbeitsplatz oder ihr Gesicht zu verlieren, natürlich versuchen, ihre Situation zu vertuschen, Erschöpfung durch Überstunden zu kompensieren, Arbeit mit nach Hause zu nehmen – und die Burn-out-Spirale beginnt.“
Als Präventionsmöglichkeiten nennt Deixelberger-Fritz alle Weiterbildungen im Sinne von Seminaren und Workshops zum Thema „gesundheitsförderliches Führen“ und Burn-out. Psychologe Jimenez setzt schon eine Ebene darunter an: Es gebe viele Seminare, die hier sensibilisieren, etwa zur Gesprächsführung. Wer das Mitarbeitergespräch gut beherrscht, sei hier als Führungskraft sicher im Vorteil. Jimenez ist zudem auch für das Unternehmen research-team tätig, hier werden entsprechende Seminare und Workshops angeboten, vor allem zum Thema „gesundes Führen“.
Unternehmern, die Einzelberatung brauchen, empfiehlt er, auf www.arbeitspsychologie.org nach einem Experten zu suchen.
© DiePresse.com

Empfehlung von Business Doctors: www.Business-doctors.at

Deutsch:
Buch link, "Don't Panic: Du bist nicht allein"
http://stress-burnout-dont-panic.blogspot.com/ 

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